05.04.2019
"Rekordbesuch und spannende Diskussionen: Die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen sowie ein Ausblick auf die sportlichen Highlights in 2019 und die Paralympics in Tokio waren die Schwerpunkte beim Parlamentarischen Abend des Deutschen Behindertensportverbandes am 4. April 2019 in Berlin. Rund 250 geladene Gäste sorgten für ein volles Haus im Allianz Forum. (Text DBS, Bild „picture alliance / DBS“)
PRESSEMITTEILUNG: „Wir wollen die Kraft des Sports nutzen“
Vielfalt,
Teilhabe und Chancengleichheit – diese Schlagworte waren gut sichtbar
im Hintergrund der Bühne, in den Gesprächsrunden rückten sie dann in den
Mittelpunkt. „Sport ist ein Inklusionsmotor. Diese Kraft wollen und
müssen wir nutzen“, betonte DBS-Präsident Friedhelm Julius Beucher in
seiner Begrüßung. Im Jubiläumsjahr der UN-Behindertenrechtskonvention,
die in Deutschland vor zehn Jahren in Kraft getreten ist, stand der
Parlamentarische Abend ganz im Zeichen von Sport und Inklusion. Und
Beucher machte deutlich, dass viel erreicht wurde, es aber auch noch
viel zu tun gibt. „46 Prozent der Menschen mit Behinderung geben an, nie
Sport zu treiben. Das unterstreicht den Handlungsbedarf. Wir haben ein
handfestes Nachwuchsproblem“, sagte Beucher. Das hänge auch damit
zusammen, dass in Deutschland viele Sportstätten nicht barrierefrei
seien. „Dabei haben sich 80 Prozent der Deutschen dafür ausgesprochen,
dass Sportstätten hierzulande grundsätzlich barrierefrei sein sollten“,
berichtete der DBS-Präsident mit dem Verweis auf eine Umfrage, die
kürzlich vom internationalen Meinungsforschungsinstitut YouGov
durchgeführt wurde.
Hubertus Heil: „Die UN-Behindertenrechtskonvention war ein Meilenstein, ist jedoch kein Schlussstein“ Besondere
Anstrengungen müssten im ländlichen Raum vorgenommen werden, sagte
Hubertus Heil, Bundesminister für Arbeit und Soziales. „Die
UN-Behindertenrechtskonvention war ein Meilenstein, ist jedoch kein
Schlussstein.“ Gerade mit Blick auf die Barrierefreiheit und den
Breitensport gebe es noch viel Luft nach oben. Willi Lemke, ehemaliger
UN-Sonderbeauftragter und langjähriger Manager von Werder Bremen,
verwies noch auf ein anderes Manko. „Die Barrieren in den Köpfen sind
noch nicht verschwunden. Es muss unser aller Ziel sein, diese in Zukunft
weiter zu verbannen“, sagte Lemke, der besonders im Breitensport einen
wichtigen Ansatzpunkt sieht: „Wir müssen die Inklusion im Breitensport
vorantreiben. Gemischte Mannschaften von Menschen mit und ohne
Behinderung auf lokaler Ebene – das funktioniert.“ Der Sport habe dabei
die Kraft, die Politik zu verändern und Türen zu öffnen.
„Besonders im Sport wird offensichtlich, was Menschen mit Behinderung für Leistungen vollbringen können“, sagte die zwölffache Paralympics-Siegerin und heutige Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Einer, der die Faszination Para Sport verkörpert, ist der unterschenkelamputierte Weitspringer Markus Rehm. Der 30-jährige Weltrekordhalter feiert in diesem Jahr ebenfalls ein Jubiläum: Rehm ist seit zehn Jahren im Leistungssport aktiv. „Unser Sport ist wahnsinnig professionell geworden. In diesen zehn Jahren hat sich unglaublich viel getan. Die Förderung der Athleten hat sich deutlich verbessert, ebenso die mediale Aufmerksamkeit. Damals kamen wir wenn überhaupt nur als Randnotiz in der Zeitung vor.“ In diesem Jahr hofft Rehm auf weitere große Sprünge – sowohl in der medialen Berichterstattung als auch in der Sandgrube. Nicht ausgeschlossen, dass der gebürtige Göppinger vom TSV Bayer Leverkusen in diesem Jahr die 8,50 Meter-Marke knackt, spätestens beim Highlight zum Jahresabschluss, der Para Leichtathletik-WM in Dubai Mitte November.
Markus Rehm: „Niemand sollte sich für eine Beinprothese schämen müssen“ Einen
Monat zuvor findet vom 8. bis 13. Oktober in Rostock die
Goalball-Europameisterschaft statt. Voller Vorfreude blickt
Organisationsleiter und Nationalspieler Reno Tiede auf das Turnier in
seiner Heimatstadt. „Woche für Woche nimmt die Vision mehr Gestalt an.
Wir wollen die beste Goalball-EM auf die Beine stellen, die es je
gegeben hat. Ich möchte, dass die Goalball-Szene auch in zehn Jahren
noch von Rostock 2019 spricht.“ Auch sportlich haben Tiede und seine
Teamkollegen große Ziele. „Die Mannschaft hat richtig Bock auf diese EM.
Wir waren zuletzt zweimal im Finale und haben Silber geholt. Jetzt
wollen wir wieder ins Endspiel – und das dann natürlich gewinnen.“
Als Unterstützer auf der Tribüne angekündigt hat sich bereits der Parlamentarische
Staatssekretär Stephan Mayer, MdB. Dieser war besonders glücklich
darüber, dass der massive finanzielle Mittelaufwuchs für den
paralympischen Leistungssport vom Bundestag beschlossen wurde, den er
beim Parlamentarischen Abend vor einem Jahr bereits in Aussicht gestellt
hatte. „Ich bin sehr erleichtert. Es ist ein wichtiger Schritt, um die
Professionalisierung des paralympischen Sports weiter voranzutreiben.
Dadurch können zahlreiche neue Trainerstellen geschaffen und die
Förderung der Athleten verbessert werden.“
Doch
die Strahlkraft des Para Sports geht über die beeindruckenden
Spitzenleistungen hinaus. Markus Rehm brachte diese gesellschaftliche
Bedeutung auf den Punkt. „Ich verbinde mit Ereignissen wie den
Paralympics auch die Hoffnung, dass Handicaps im Alltag weltweit
Normalität werden. Niemand sollte sich beispielsweise für eine
Beinprothese schämen müssen.“
Text: Kevin Müller
Stv. Leitung Kommunikation & Events -
Deutscher Behindertensportverband e.V. - National Paralympic Committee Germany
Bild: „picture alliance / DBS“